Es lebe die Antithese: Toyota GR Supra 3.0

Es klingt fast so, als würde sich Toyota entschuldigen für den reinrassigen Sportwagen, den sie nach 17 Jahren Pause wieder bauen: Der neue Supra hat alles, was wir von einem klassischen Sportcoupé erwarten – inklusive wunderbarem Dreiliter-Reihensechszylinder mit 340 PS, Hinterradantrieb und Rennstreckenpotenzial

Tetsuya Tada ist uns höchst sympathisch. Nicht nur, weil er der Chefingenieur des neuen Toyota GR Supra 3.0 ist. Sondern auch, weil er trotz elektro-moderner Zeiten immer noch eine gesunde Auffassung von Fahrspaß hat: „Technische Innovationen wie der Elektroantrieb, Autonomes Fahren und Künstliche Intelligenz könnten das Auto in eine Art „Hightech-Transportlösung“ verwandeln. Sollte dies zutreffen, müssen Autos in Zukunft auch nicht mehr unbedingt Fahrspaß bereiten. Ich weiß allerdings nicht, ob wir diese reduzierte Rolle akzeptieren sollten. So gesehen liefert der neue Supra so etwas wie die Antithese zu der Aufgabe, welche die Gesellschaft dem Auto derzeit zuweisen will.“

Ein Verbrenner-Toyota als Antithese – ausgerechnet von dem ersten Brennstoffzellenautogroßserienhersteller und der Firma, die Hybridautos gesellschaftsfähig machte? Ja. Vielleicht sogar genau deswegen. Toyota kann auch Fun, halleluhja!

Für diejenigen, die mit der Supra-Historie nicht so bewandert sind: Das Leben des Supra ist schon recht lang – immer mit Reihensechszylinder als Antrieb, meistens gekoppelt mit einem oder zwei Turbos. Von 1987 bis 1981 bekam der stärkste Celica erstmals den Beinamen Supra, das war bei der nächsten Celica-Generation noch immer so (1981 – 1985). Erst die dritte scharfe Supra-Version ab 1986 geriet eigenständig und durfte den Celica-Zusatz ablegen – die zeitgemäß kantige Kiste überzeugte mit Klappscheinwerfern und Hinterradantrieb, während die parallele Celica-Generation mit Vorderradantrieb weiterfuhr. 1987 zog der 235 PS starke Turbomotor in den Supra, und es gab ein Targadach. 1993 kam die Nummer 4, weicher, glatter. Sie blieb bis 2002.

Seitdem darbt die Supra-Gemeinde. Bis heute – allerdings würde der GR Supra ohne BMW nicht existieren: Der neue Z4 und der GR Supra teilen sich die Basis dank einer beginnenden Zusammenarbeit von Toyota und BMW seit dem August 2012. Auch den Motor, ein echtes BMW-Gewächs. Ohne den würde es keinen neuen Supra geben. Unter anderem deswegen rät Tada übrigens jedem, der als nächste Überraschung einen GR Supra Roadster erwartet, sich den Z4 zuzulegen.











































































































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Der GR Supra ist das erste von Gazoo Racing (Motorsportabteilung von Toyota) produzierte GR-Modell für den Weltmarkt, deshalb darf das GR auch vor dem Typnamen stehen. Ab Anfang 2020 sollen pro Monat 130 Stück Europa beglücken – mehr kann das Magna-Werk in Graz, wo die Sportler gebaut werden, nicht liefern. Da kommt auch die Basis des BMW Z4 her, wie man unschwer an diversen Details wie zum Beispiel die Grundform des Getriebewählhebels, den Drehrücksteller und dem Bildschirm erkennt. Der GR Supra war in drei Ausführungen zu haben – „war“ deshalb, weil die Erstausgaben-Sonderserie von 90 Stück (wegen des internen Codes A90) schon längst vergriffen ist – auch wenn die edlen Stücke mit dem Sonderlack in Storm Matte Grey ausschließlich handgewaschen werden dürfen. Den Basis-Supra gibt’s für 62.900 Euro (inklusive Brems-, Berganfahr- und Kurvenassistent, wer‘s braucht), das Premium-Paket mit unter anderem mattschwarzen Felgen, schwarzem Vollleder, Headup-Display sowie Kofferraum- und Lichtpaket (keine Sorge, auch die Basis hat Kofferraum und Licht) kostet 2000 Euro mehr.

„Drei Sportwagenattribute mussten wir bei der Konzeptionierung berücksichten,“ kommt Tada in medias res: „eine breite Spur, ein tiefer Schwerpunkt, ein kurzer Radstand.“ Und natürlich musste sich der neue Sportwagen vom Toyota GT86 unterscheiden, der mit einem höheren Schwerpunkt und längerem Radstrand leben muss. Der vom GR Supra beträgt gerade mal 2,47 Meter, die Spur geben die Japaner mit 1589 Millimeter an. Was ein Verhältnis von 1,55 bedeutet, und das wiederum liegt in der allgemein anerkannten idealen theoretischen Balance für Sportwagen in Sachen Agilität und Handlingeigenschaften zwischen den Faktoren 1,5 bis 1,6. „Hinzu kommt, dass die Verwindungssteife sogar besser ist als beim Lexus LFA,“ sagt Tada stolz, „und der besitzt ein Carbon-Monocoque.“

Durch Einbau des Reihensechszylinder-Turbo in Frontmittelmotorlage haben die Ingenieure auch noch das optimale Gewichtsverhältnis von 50:50 erreicht – allerdings ist der GR Supra kein klassischer Transaxle, weil das Getriebe vorne angeflanscht ist. Ein aktives Differenzial, das stufenlos von 0 bis 100 Prozent arbeitet und beim Beschleunigen und Abbremsen die Kräfte nach vorne und hinten verteilt, eine Fünflenker-Hinterachse und Zweigelenk-McPherson-Federbeine vorne samt hydraulisch gedämpften Federbein-Stützlagern machen den Sportler rund.

Auch das Design hatte Vorgaben einzuhalten: extrem große Räder (19 Zoll), lange Motorhaube, nach hinten versetzte Insassenkabine. Nobuo Nakamura und sein Team haben dabei auch gleich ein Double-Bubble-Dach im Zagato-Stil kreiert, die Frontscheibe zum schmalen Sehschlitz geformt, die Toyota-Nase eingearbeitet, sich für einen zungenähnlichen Spoiler am Heck entschieden und ein paar Lufteinlässe in die Karosse geschnitten. Die sind aber allesamt Fake – erst bei der Rennwagenstudie GR Supra GT4 Concept fegt hier tatsächlich Luft durch.

Schließlich haben die Stylisten das Supra-Logo überarbeitet. Wichtigstes Detail dabei: Das „S“ von „Supra“ ist jetzt der Kurvenkombination „Wehrseifen“ der Nordschleife nachempfunden. Kein Wunder bei einem Volk, das pro Person bis zu 5000 Euro zahlt, um mit einem geliehenen potenten Sportwagen einmal auf dem Nürburgring zu fahren. Innen dominieren die dünne horizontale Achse des Instrumentenbrettes und der sehr breite Mitteltunnel. Ein 8,8-Zoll-Bildschirm informiert über alles Wissenswerte, während sich richtig gut in den Sportsitzen mit einstellbaren Seitenwangen und perforiertes Alcantara auf den Kontaktflächen wohl fühlt.

Die Möglichkeiten der Einstellungen zu Veränderung von Fahrparametern sind erfreulich überschaubar. In der Mittelkonsole ruft ein großer Schalter zur Wahl von „Comfort“ oder „Sport“ auf, was Gasannahme, Lenkung, Getriebe und natürlich die Farbgebung in der digitalen Instrumentenanzeige beeinflusst. Zusätzlich wird über den benachbarten ESP-Knopf nach einer Sekunde Drückzeit der „Track-Mode“ gewählt (der sowohl in „Confort“ als auch in „Sport“ funktioniert), wobei die Traktionskontrolle ausgeschaltet wird, ESP aber im Grenzfall eingreift. Drückt man drei Sekunden, ist das ESP restlos deaktiviert – was nur für Driftübungen ratsam ist.

Denn schon beim Start von Null drehen die hinteren Pneus mal eben ganz kräftig durch, bevor Traktionskontrolle und Konsorten die Chance bekommen, dem Treiben Einhalt zu gebieten. 50 Prozent vom Gesamtgewicht hinten ist ja ganz schön, aber wenn 340 PS und 500 Newtonmeter schlagartig losgelassen werden, hat das eben seine Folgen. In 4,3 Sekunden darf man sich bei 100 km/h glücklich schätzen, wer länger auf dem Gaspedal bleibt, kann bis zu 250 km/h beschleunigen. Dann ist – elektronisch begrenzt – Schluss. Bei Volllast hämmert der Dreiliter-Sechszylinder mächtig, was bestimmt auch Tada zuzuschreiben ist – der Mann hat schlicht keinen Bock auf langweilige E-Stille. Allerdings hat er sich verkniffen, künstliche Zwischengasstöße, hustende Gaswegnehmverschlucker oder ähnlichen Akustikschnickschnack einzubauen, was zum puristischen Anspruch des GR Supra bestens passt.

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Schien der erste reine Supra zu seiner Zeit ein recht großes Auto zu sein, macht die neueste Generation den Eindruck eines knackig kurzen Kurvenräubers, in dem an sich sofort wohl fühlt. Viel Platz ist nicht im Innenraum, aber das braucht der Sportwagenfahrer von Welt ja auch gar nicht – er möchte vom Sitz festgehalten werden, die Knie links und rechts innen gegen die Seiten stemmen können, das zum Glück recht schalterarme Lenkrad fest in beiden Händen halten und mit den Schaltwippen tanzen. Die könnten allerdings ein bisschen deutlicher den gezogenen Befehl vermelden.

Was sich besonders auf der Rennstrecke bemerkbar macht, wenn man beim Herunterschalten nicht den Gang bekommt, den man haben will – meistens, weil die Drehzahl zu hoch war. Aber die Achtgangautomatik arbeitet ausreichend schnell, so dass nur bei den ganz Harten der Wunsch nach einer Handschaltung aufkommt. Der übrigens nicht erfüllt wird.

Die großen hinteren Reifen der Dimension 275/35ZR19 (vorne 255/35ZR19) krallen sich in den Asphalt, und wenn sie erstmal heiß sind, kleben sie perfekt – was kein Freibrief dafür ist, das ESP komplett auszuschalten. Die Jarama-Rundstrecke bei Madrid ist eine Konstruktion aus den 1960er Jahren, und nur weil einst hier die Formel 1 raste, heißt das nicht, dass man nicht ganz schnell auf den Rasen, ins Kiesbett oder schlimmstenfalls in eine Mauer rauschen kann. Die Strecke ist zwar breit, aber die Auslaufzonen sind es nicht – wie schon die britische Gruppe vor uns feststellen musste, die in der harten 180-Grad-Kurve nach der Start- und Zielgeraden zwei Wagen rettungslos versenkten. Hier kommt man problemlos mit 220 km/h oder mehr angeflogen – man möchte keine Bremse sein.

Obwohl Jarama eine technische Strecke ist mit drei Zweiter-Gang-Kurven, wo Mensch und Maschine kräftig arbeiten müssen, lassen die Bremsen scheinbar nicht nach. Technisch wirkt das Bremssystem dem Fading automatisch entgegen, sobald die aufgeheizten Bremsscheiben eine bestimmte Temperatur überschritten haben. Auch bei Nässe passiert Unmerkliches mit den Bremsen: Sobald die Scheibenwischer eingeschaltet werden, werden die Beläge kurz an die Scheiben angelegt, um die Feuchtigkeit zu entfernen, um im Falle der gewollten Nutzung zu 100 Prozent bereit zu stehen. Dennoch können wir den Energievernichtern nicht völlige Standfestigkeit attestieren, weil uns die Instruktoren bitten, die Bremsen besonders vor der ersten engen Kurve („Fangio“) zu schonen und schon früh und nicht voll in die Eisen zu gehen – Vertrauen in die Konstruktion sieht anders aus.

Aber mehr Spaß als das Bremsen macht sowieso Gas geben. Zugegeben: Wir nutzen das weidlich. Denn es könnte sein, dass der GR Supra 3.0 der letzte Sportwagen von Toyota ist, der nichts außer köstlichem Benzin als Energiequelle nutzt. Also Pedal to the Metal. Tetsuya Tada hat dafür vollstes Verständnis: „Beschleunigung wird erst dann zu einem einzigartigen Erlebnis, wenn sie auch die Sinne des Fahrers erreicht und anspricht.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

TECHNISCHE DATEN

Toyota GR Supra 3.0

Motor: Reihensechszylinder-Turbo
Hubraum: 2.998 ccm
Leistung: 250 kW (340 PS) bei 5.000 – 6.500/min
Max. Drehmoment: 500 Nm bei 1.600 – 4.500/min
Getriebe: Achtgangautomatik
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 4.379 / 1.854 / 1.292 mm
Gewicht: 1.495 Kilo
Sprint 0-100 km/h: 4,3 Sek.
Top-Speed: 250 km/h
Preis: 62.900 Euro

GRIP-Faktor

Performance: 4,5 von 5 Sternen
Drivestyle: 4 von 5 Sternen
Preis pro PS: 185,00 Euro

Text: Roland Löwisch, Fotos: Harald Dawo/Toyota, Löwisch

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